Hallöchen!

Morgen ist also mein Tag X Zeit, noch einmal zu sinnieren:

Ich habe Angst. Angst vor den ersten paar Tagen. Ist ja nicht so, als würde ich die nicht kennen. Ich weiß genau, was auf mich zukommt. Ich werde nicht ausstehbar sein, zwischen Aggression und Selbstmitleid hin- und her wechseln, ich werde kaum schlafen, und in dem bißchen Schlaf auch noch schlecht träumen, ich werde punktuell schwitzen wie ein Schwein und tagelang nicht auf Toilette gehen können. Aber, was soll´s... ich wusste es doch vorher! Kein Grund wieder zur Kippe zu greifen!

Eigentlich hab ich schon oft überlegt, mir auch einen Arzt zu Rate zu ziehen, schaden kann es ja nicht. Aber mir ist das ja so peinlich! Außerdem: was soll der dann machen? Also mehr als sagen "schön, dass sie aufhören wollen" ist doch da auch nicht drin, oder?

Ich bin 29, rauche seit ich 13 bin, bin mittlerweile auf 35-40 Zigaretten/Tag. Doch, ich bin süchtig. Wie schrecklich! Meine Nebenhöhlen sind ein Schlachtfeld. Ich rieche kaum noch was, ich kriege durch die Nase kaum noch Luft, ich schnarche, schlafe deshalb schlecht, bin immer müde. Für Sport reicht die Kondition bei Weitem nicht. Mein Briefkasten ist 300 Meter entfernt, wenn ich dorthin spaziere, gemütlich, bin ich am Ziel aus der Puste, mein Herz bubbert als hätte ich Leistungssport gemacht, ich vegetiere, ich lebe nicht. Jeden Morgen fühle ich mich wie aus dem Fleischwolf gepresst. Dicke Nase, Hals voll Schleim, Gesicht aufgequollen, der Kreislauf kommt nicht in Schwung und trotzdem, bevor ein Brot rein kommt: Kippen fressen. Wie abartig.

Vor zwei Wochen hab ich mir einen Wunsch erfüllt: Einen Boxkampf live sehen. Ich hab mich riesig drauf gefreut und doch hatte ich immer wieder bedenken, weil man in der Halle ja nicht rauchen darf - wie soll ich das durchstehen?
Von den Vorkämpfen habe ich die Hälfte verpasst, weil ich immer wieder rausrannte, eine rauchen. Der Türsteher hat mich schon nach kurzer Zeit gedutzt. Vor dem Hauptkampf schnell noch Kettenrauchen, damit der Nikotinspiegel potentiellen 12 Runden stand hält. Wie erbärmlich!

Und dann seh ich die Boxer da, körperlich fit bis in die letzte Faser, sie haben lange für diesen Abend gearbeitet, ich beneide sie - was bin ich dagegen? Ich wär auch gern wie sie, ich würde auch gerne boxen - aber ich komm ja nicht mal bis zum Briefkasten. So ein Armutszeugnis!

Ich bin 29 (also nächsten Monat erst), ich habe immer für meine Ziele hart kämpfen müssen, in meinem ganzen Leben um alles hart kämpfen müssen. Meinen letzten Traum habe ich mir gerade erfüllt: Abitur. Ab Herbst werde ich studieren. Ich hab es geschafft, mit 1,1 zu bestehen, mit 29 und einem Baustellenhaus, mit einer pubertierenden Tochter im Nacken und einigen Tieren am Bein. Ich scheiß auf jeden NC, weil mir jeder Studienplatz offen steht, ich bin verdammt stolz darauf. Und dann zu schwach mit dem Rauchen aufzuhören? Was ist das denn???

Ich höre JETZT auf, weil ich jetzt weiß, dass ich ALLES schaffen kann. JETZT, weil mein Studienbeginn ein neuer Abschnitt sein wird mit neuen Leuten, neuen Gewohnheiten, neuen Abläufen - die will ich erst gar nicht mit Zigarette kennen lernen. JETZT ist einfach nicht mehr damals. Ich bin nicht mehr die, die ich war, Menschen, die so sind, wie ich jetzt, die rauchen nicht. Das hab ich so beschlossen. Das passt gar nicht zusammen.

So genug Romane zum Besten gegeben. Auf morgen! Prost!

Bibo