Seit ich was von Volkswirtschaft gehört habe, versuche ich mich, antizyklisch zu verhalten, und das bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Denn irgendwie leuchtete mir ein, das es nur zum Vorteil sein kann, wenn man sich entgegen den allgemeinen Trends bewegt.

Zum Beispiel, was Wartezeiten anbelangt. Auf etwas zu warten, kann ich überhaupt nicht leiden. Das treibt mich regelrecht zum Wahnsinn.
Sehe ich eine Schlange (nein, nicht im Zoo, sondern eine in Wartegemeinschaft befindliche Menschenmenge), gehe ich gar nicht erst dahin, informiere mich aber im Hintergrund, um was es geht und suche gegebenfalls nach Alternativen. Hier habe ich mein Verhalten gegenüber früher komplett umgestellt, wo das gemeinsame Anstehen ein ausgesprochenes Highlight im Austausch gegenseitiger Leidklagen und sonstiger Ereignisse war.

Nun, die Moma-Austellung in Berlin ist mir wegen meiner Sturheit entgangen. Ich fand keine Alternativen zum Füsse-Plattstehen, obwohl sich ein paar Kleinkünstler bemühten, die sich um das ganze Haus herumwickelnde Schlange zu belustigen. Aber mein Töchterchen, das bereit war, vor der Tür auf einer Isomatte zu nächtigen, konnte mir immerhin erzählen, was ich gesehen hätte.

Antizyklisch verhalte ich mich auch beim Arzt. Wenn ich da schon mal hin muss, und manchmal muss man ja, und noch öfter sollte man eigentlich aus vorsorglichen und sonstigen Gründen, achte ich streng darauf, keine Wartezeit zu riskieren. Das heißt, ich erkundige mich vorher genauestens, wann es denn günstig ist, hinterlasse eventuell nur mein Kärtchen und einen Gruß, um später wiederzukommen, und was man noch so machen kann. Denn spätestens nach einer Stunde Herumsitzens weiß ich nicht mehr, auf welcher Hinternbacke ich sitzen soll und werde ganz rot. Ich weiß aber nicht, ob das von der Reibung mit der Sitzfläche oder mehr von innen kommt. Aber egal, nach spätestens 1 1/2 Stunden halte ich es nicht mehr aus und verlasse ich die Praxis. Grußlos. Sollen die mich doch suchen. Aber Vorsicht, solch Szenen nach Möglichkeit vermeiden, wenn man den Arzt nicht wechseln möchte!

Nun rennen ja alle am Anfang des Quartals zum Arzt, damit man die Praxisgebühr wenigstens voll auskosten kann. Ich nicht. Ich gehe am Ende und biete 1,75 € für die Restlaufzeit des Quartals, proportional zur vollen Quartalsgebühr berechnet. Die Schwester konnte meiner Logik leider nicht folgen. Aber noch fieser ist das Ergebnis dieses Arztbesuchs: Ausgestattet mit einem Haufen Überweisungsscheinen für irgendwelche Untersuchungen versuche ich, Termine zu bekommen. Die scheinheilige Frage: "Wo sind sie denn versichert?" sichert mir erstklassige Termine Ende August. Meine Nachfrage, welche Rolle denn die Krankenkasse bei der Terminvergabe spielt, wird geschickt gekontert: "Na, sonst müssen sie es woanders versuchen, wenn es dringend ist!"

So. Dank Gesundheitsreform vom 1.1.2004 stehe ich also ziemlich blöd da mit meinem antizyklischem Verhalten - kann ich mir gleich nächstes Quartal ne neue Praxisgebühr kaufen und die ganzen Scheine neu ausstellen lassen. Was für eine Idiotie!