Jesters Tagebuch

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Jester
Jesters Tagebuch

Im Bett liegend und über Nebenwirkungen von Rauchentwöhnung nachdenkend stehe ich auf und frage Google ...

Forum, lesenswert, Nichtmehrrauchertagebücher, in welchen viele schreiben, dass sie es schade finden, hier nicht früher mit Ihrem Tagebuch angefangen zu haben. Zwei Wochen seit der letzten Kippe fange ich an zu schreiben.

Am Anfang: Ein Kind, vielleicht acht Jahre alt, das die Mutter imitiert.

Später: Ein Teenager, vielleicht fünfzehn Jahre alt, der Warnungen in den Wind schlägt, weil er (noch) nicht erfahren, was eine Sucht ist.

Heute: Ein Mitdreissiger, welcher in seinem Leben einige Kilometer Kippen in sich aufgesogen.

Jester
Die Nachteile, welche mir

Die Nachteile, welche mir immer wieder auffielen:

1) Rauchen kostet viel Geld (auch wenn ich es mir leisten kann).
2) Ich kann das Rauchen nicht kontrollieren, es kontrolliert und bestimmt mich.
3) Es gibt für mich zwei Zustände: Nichtraucher und Kettenraucher.
4) Ich habe das Gefühl, permanent zu stinken.
5) Ich habe etwas zu verbergen (z.B. vor Kindern, von denen ich nicht möchte, dass sie das wissen).
6) Ich kriege immer weniger Luft.
7) Ich räuspere mich ständig.
Dirol Ich habe immer wieder Probleme mit den Atemwegen.
9) ... einiges mehr.

Den Entschluss, gesünder zu leben und damit aufzuhören zu rauchen, fiel mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen. Ich war im Urlaub gewesen, hatte mich im Wind und unter der Sonne erkältet, hustete jeden Tag und fast jede Stunde, erkältete mich auf einer Fähre noch einmal, kam nach Hause, ging trotzdem arbeiten und wurde richtig krank.

In all den Jahren, in welchen ich rauchte (ja, es gab auch Unterbrüche und vielleicht ist jetzt gerade wieder so ein Unterbruch), war ich selten so krank, dass ich nicht rauchen mochte. Dieses mal war es anders und das vielleicht auch, weil ich im Urlaub zuvor Kette rauchte und vermutlich mehr als eineinhalb mal zwanzig Zigaretten pro Tag verbrauchte. Beim Gedanken daran zu rauchen, mir eine Kippe anzuzünden, die Verbrennungsprodukte zu inhalieren und zu schmecken, hätte ich kotzen können, wenn ich mehr als das Wenige gegessen hätte.

Ich kannte die Prozedur von früher. Das letzte Mal vor einigen Jahren hatte ich mein Leben komplett über den Haufen geschmissen, aufgehört zu rauchen, wie ein Irrer Sport getrieben (streckenweise 10+ Stunden pro Woche) und mir eingeredet, gesünder und glücklicher zu sein. War aber nicht wirklich so:

OK, ich rauchte nicht mehr.
OK, ich sparte die Kohle (und gab sie für Sport aus).
OK, ich war vitaler und fitter.

Aber eigentlich hatte ich die Sucht nicht in den Griff gekriegt, nur das eine mit dem anderen ersetzt. Wie hiess das in den Tipps fürs Nichtrauchen? Ach ja, genau: "Ändern Sie Ihr Leben nicht, begingen sie nicht, exzessiven Sport zu treiben". Und (von mir angefügt): Erwarten Sie nicht, dass Sie glücklich werden, weil Sie nicht mehr rauchen.

Zwei Jahre später ging in einem fernen Land etwas in der Runde herum, was eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Zigarette hatte - sozusagen davon abstammte, sozusagen daraus hervorging, aber ungemein viel würziger duftete und süsse Träume versprach. War kein Problem; war ja nur an diesem Abend. Und weil der Abend noch nicht vorbei war, dachte ich mir, ich könne da gleich noch und nur ausnahmsweise noch eine Zigarette rauchen.

Vom Ausnahmsweiseraucher zum Genussraucher zum Kettenraucher - eine Mutation, welche ganz ohne Energiebedarf und wie von alleine ablief. Die Lehre daraus: Es geht nie nur um eine Zigarette; es hängt immer noch eine und noch eine und noch eine und - in Tat und Wahrheit - eine kilometerlange mit Tabak gefüllte Papierröhre dahinter, welche erst am Grab endet.

Und: Als Nichtmehrraucher gibt es nur zwei Optionen: Nie, aber wirklich auch nie mehr rauchen - egal ob es sich dabei um Zigaretten, Zigarren, Pfeifen oder andere Dinge handelt - oder dann als Kettenraucher durch das Leben gehen.

Jester
Ich gucke und sehe, dass die

Ich gucke und sehe, dass die Sucht zwei Gesichter hat: 1) Die Gewohnheit, kurze Pausen, das Anstecken, das Inhalieren - alles ohne bewusst zu denken. 2) Die Sucht, Wirkungsweisen des Nikotins im zentralen Nervensystem, biochemische Belohnung, ohne etwas dafür zu tun.

Ich habe mich entschlossen, die zwei Aspekte zu entkoppeln. Die Gewohnheit gehe ich zuerst an. Anstatt immer wieder in die Raucherecke abzudüsen, mache ich währen der Arbeit bewusste Pausen, stehe vielleicht auch nur mal ans Fenster im (rauchfreien) Pausenraum und lasse meinen Blick über Gebäude und Strassen schweifen. Das Chemische schiebe ich etwas auf. Nikotinpflaster mittlerer Stärke am Oberarm (ein Tag links, ein Tag rechts), schwacher Kaugummi im Mund, normalen Kaugummi dazu - den nicht normalen Kaugummi langsam durch normalen ersetzen, dann das Pflaster auf schwach wechseln und die Kaugummi-Dosis wieder raufschrauben und so eine neue Iteration beginnen. Danach noch eine Iteration (kein Pflaster, Kaugummi ersetzen).

Geschätztes Ende: 15. Dezember 2010.

Jester
Und wie geht es mir als

Und wie geht es mir als sozusagen frischgebackener Nichtmehrraucher? Teilweise gut (Körper) und teilweise nicht so (Psyche).

Google findet und die Online-Diagnose zeigt eine gewisse Angststörung an (wie alle Gesundheitsinformation online ohne Packungsbeilage und deshalb immer mit Vorsicht zu geniessen aber dennoch ein Spiegel an der Wand). Die Vermutung ist, dass es sich dabei nicht unbedingt um eine Folge des Nikotinentzuges handelt (ich trage Pflaster und kaue Kaugummi) drängt sich auf - und so frage ich mich, was neben Kohlenmonoxid, Polonium, Stickoxiden und Nikotin noch für ~3500 andere Substanzen im Rauch einer Zigarette enthalten und welche davon pharmazeutisch aktiv sind und hier Einfluss üben ... oder ist das eine Folge davon, dass ich mir nicht mehr brennende Papierstäbchen in den Mund stecke?

Aber eigentlich ist die Frage müssig und ist das egal: Depressive Verstimmungen finden sich auf der Liste der unerwünschten Nebenwirkungen des Nichtrauchens und scheinen nach einiger Zeit wieder zu verschwinden, wie in diesem Forum zu lesen ist. Es ist gut, dass die Zeit auf meiner Seite ist. Aussitzen scheint mir hier angesagt zu sein und die Wahrscheinlichkeit, dass die Welt morgen untergeht, sehe ich als eher gering.

Ansonsten scheine ich noch einmal milde in die Pubertät zu kommen (Mitesser) und hatte ich einige Tage eine geschwollene Zunge mit veränderter Oberfläche (kann aber auch noch von meiner kleinen Sommergrippe herrühren). Der Appetit ist in etwa gleich und eine Gewichtsveränderung lässt sich nicht feststellen. Im Mund spüre ich eine Aphthe und glaube vor etwa fünfeinhalb Jahren mal gelesen zu haben, dass solche bei Rauchentwöhnung zu erwarten seien (auch wenn ich die hier im Forum nicht angetroffen habe).

Ich bin relativ froh darüber, dass sich mein Wunsch zu rauchen in engen Grenzen hält und dass ich Raucher auf der Strasse nicht beneide. Ich bemitleide sie auch nicht; ich bin einfach froh, dass sie und nicht ich gerade rauche, wenn ich sie sehe. Der Geruch von Tabakrauch empfinde ich als abstossend.

janne
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Hallo Jester,

Hallo Jester,
wie Du selbst schreibst, es ist müssig darüber nachzudenken, was da alles drin ist. Willkommen auf den anderen Seite, wo Kippen keine Rolle mehr spielen.

Nach so vielen Jahren des Rauchens ist es auch völlig normal, dass nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche dich von dem Zeug befreien muss. Viele machen es durch, ich erlebe es selbst schubweise. Aber es wird immer leichter und auch angenehmer. Man vergisst leicht, dass es ein langfristiger Prozess ist .. es macht schon glücklicher, nur nicht von heute auf morgen.

letzte Kippe am 17.07.2010
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Ami
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Hallo Jester,

Hallo Jester,
herzlich willkommen hier im Forum! Ich wünsche dir ganz viel Erfolg mit deinem Nichtraucherprojekt. Du hast dir ja eine Menge Gedanken gemacht über vieles, das mit dem NMR und dem Aufhören zusammen hängt. Jetzt kommt die Praxis dran. Dafür viel Kraft, Sturheit und Durchhaltevermögen!
Ami :winky1:

rauchfrei seit 23.05.2010

 

[url=http://www.ohnerauchen.de/node/4454]Amis Tagebuch[/url]

 

 

Jester
@Janne und Ami

@Janne und Ami

Danke für das Willkommen :-).

@Ami: Wie sagt man doch gleich? Ach ja genau: Grau ist die Theorie und die Praxis ist ... interessant.

Ami
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Gut ausgedrückt, Jester. Dann

Gut ausgedrückt, Jester. Dann wünsche ich mal interessantes praktisches NMR Wink
Viel Erfolg!
Ami

rauchfrei seit 23.05.2010

 

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Jester
Morgens, den Weg zur

Morgens, den Weg zur Bushaltestelle gehend, denke ich so an dieses und jenes und sitze bereits im Bus als mir das Thema Rauchen in den Sinn kommt.

Da war doch mal etwas ... ach ja genau: auf diesen Schritte brannte jeweils die erste Zigarette des Tages und manchmal hatten bereits zwei gebrannt, als ich den Bus bestieg.

Tagsüber selten daran gedacht, nach Feierabend noch mit dem Zug unterwegs und kurz vor der Einfahrt am Zielbahnhof jene bekannte Vorfreude: Aussteigen und Rauchen - jene Lust am Gedanken, Rauch zu inhalieren und zu spüren, wie sich die Wirkung entfaltet.

Kurzes Innehalten, tiefes Einatmen bis die Lungen voll sind; ich halte den Atem und muss - nicht husten.

Ich steige aus und atme auf dem Bahnsteig. Bahnhöfe haben einen Geruch. Eine bunte Mischung an Gerüchen schleicht sich in meine Nase - die Düfte von Menschen, Hunden, Kosmetika, Bratwürste, vom Herbst ... Vermischt und doch immer klarer auseinander zu halten.

Als Raucher war der gleiche Bahnhof olfaktorisch immer grau in grau.

Der Herbst ist die bunte Jahreszeit. An die Farben des letzten Herbstes kann ich mich erinnern. An seinen Duft - oder vielmehr: an seine Düfte und Gerüche - nicht mehr, weil er grau war.

Ich entdecke die Welt mit meiner Nase neu.

Jester
An der Bushaltestelle stehend

An der Bushaltestelle stehend und sehend, wie eine Kippe angezündet wird, beschleicht mich ein Gefühl der Fremde: Habe ich bis vor kurzem *wirklich* geraucht?

Der Gedanke scheint mir irreal und die Vergangenheit weit, weit weg.

Am Abend Sport. Ausdauer wie zwei, drei Male die Woche. Gleiche Dauer und etwa gleicher Puls, aber: Das Gefühl von geringerem Widerstand, von leichterem Atmen.

Im Zug nach Hause ein Moment, in welchem ich in der Ich-Perspektive erlebe, wie ich mir eine ungeöffnete Schachtel Zigaretten hastig in den Mund werfe, um sie - nur etwas mit den Zähnen zermalmt - in einem zu schlucken.

Wie ein Wolf, der Beute gierig verschlingt, um nicht wirklich satt zu sein.

Das Schwierige an den Kippen: man denkt immer nur an diese eine, nach der man sich sehnt. Wo ist das Problem mit dieser einen, kleinen, niedlichen, harmlosen, in reinem Weiss verpackten, Entspannung und Befriedigung verheissenden Kippe? Weshalb sollte man sich mit Verzicht quälen, wenn es doch so einfach wäre?

Ganz einfach: Es geht nicht nur um die eine. Es geht um die ganze Schachtel und die Schachtel danach und diejenige nach der Schachtel danach.

Endlos.

Entweder volle Kanne und endlos oder dann gar nicht.

Ami
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Hallo Jester,

Hallo Jester,
wollte nur mal nachfragen, wie´s dir so geht. Alles im grünen Bereich?Schönes restliches Wochenende!
Ami :winky1:

rauchfrei seit 23.05.2010

 

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